Und was machen wir jetzt?


Leseprobe 02

Hexentanzstöcke, Seite 14 - 20

„Oma, wenn Hexenkinder auf Baumästen fliegen gelernt haben, müssen sie dann als nächstes auf richtigen Besen durch die Luft sausen?“
„Oma, wenn Hexenkinder auf Baumästen fliegen gelernt haben, müssen sie dann als nächstes auf richtigen Besen durch die Luft sausen?“

Hexentanzstöcke

 

Wenn Helen Urlaub bei Opa Peter und Oma Lisa macht, schläft sie mit der Oma zusammen im Schlafzimmer. Opa Peter schläft in dieser Zeit im Gästezimmer, denn für drei Personen ist das Wasserbett zu schmal.
In der Nacht hat Helen schön geträumt und ist nun ausgeschlafen, darum fängt sie auch gleich nach dem Aufwachen an zu denken, zu reden und zu fragen.
„Oma, wenn Hexenkinder auf Baumästen fliegen gelernt haben, müssen sie dann als nächstes auf richtigen Besen durch die Luft sausen?“
„Ich glaub schon.“
„Traust du dich so etwas auch oder müsstest du das üben?“
„Wie denn?“, fragt Oma Lisa überrascht.
„Oma, pass mal auf. Ich bin jetzt dein Besen. Ich leg mich ganz gerade hin, so auf den Bauch, und du setzt dich auf meinen Rücken. Du bist dann ein Hexenkind, das fliegen lernt.“
Oma Lisa macht alles so wie Helen es sich wünscht, und los geht die Fliegerei. Hui, ist das stürmisch! Mit richtigen Windböen muss das Hexenkind Oma Lisa kämpfen, denn es ist gar nicht so einfach, im Wasserbett die Balance zu halten. Sie schaukeln von vorne nach hinten, mal hoch und mal runter und auch seitlich muss die Hexenschülerin aufpassen, dass sie nicht von ihrem Besen namens Helen fällt. Helen macht es großen Spaß. Sie lacht und stöhnt und macht richtige Sturmgeräusche dazu: „Huibu, Huibu, Huhiii!“

Von so komischen Geräuschen im Haus wird Opa Peter wach. „Was ist denn hier los, ich will auch mitmachen“, sagt er in der Schlafzimmertür stehend.
„Das geht nicht“, sagt Helen, „mit dir spiel ich doch den ganzen Tag. Jetzt ist Oma Lisa mal dran!“ Und mit viel Juchei geht die Fliegerei im Wasserbett weiter.
Doch irgendwann ist der Morgenhunger stärker als die schönste Turnerei.
Nach dem Frühstück fragt Helen den Opa: „Wir gehen doch heute wieder in den Wald, oder? Wir müssen doch hören, ob die Hexenkinder wieder das Fliegenlernen üben!“
Dieses Mal ist es richtig still im Wald, keine Windgeräusche, kein Blätterrascheln und keine Äste, die aneinander stoßen. Was für Helen aber viel schlimmer ist: Kein Hexenkinderspaßgekicher! Sie zieht die Schultern hoch, schaut traurig ihren Opa an und sagt: „So ist das Leben, da kann man nichts machen. Schade!“
Opa Peter stellt sich hinter einen dicken Baum und tut so, als würde er telephonieren. „Mit wem sprichst du?“
„Mit dem Mann, der die große Luftpumpe hat. Ich habe ihm gesagt, er soll wieder einen dicken Luftballon so doll aufblasen, dass der platzt, denn dann haben wir hier wieder den schönsten Sturm!“
„Opa, jetzt hast du wieder großen Quatsch gemacht, das glaub ich nicht. Im Wald kann man gar nicht telephonieren.“
Laut schallt Helens Lachen durch den Wald. Opa Peter aber macht ein ganz trauriges Gesicht: „Glaubst du mir das nicht?“ Doch auch er kann sich das Lachen dann nicht verkneifen und so marschieren sie weiter durch den Wald.
Sie kommen gar nicht so leicht voran, denn der Wind hat in den letzten Tagen ganz schön an den Ästen und Bäumen gezerrt, darum liegen viele trockene Stöcke auf dem Waldboden. Helen ärgert sich darüber. Immer wenn sie auf einen Stock tritt, geht der am anderen Ende hoch, oder er knackt durch und sie erschreckt sich dann.
„Du musst dich nicht ärgern“, tröstet sie Opa Peter. „Das sind doch die Hexenübungsstöcke.“
„Was sind das?“, fragt Helen ungläubig.
„Weißt du das nicht? Die Hexen machen abends ein Feuer an, und dann hopsen sie auf solchen Stöcken um das Feuer herum. Einen Besen lange festzuhalten, muss man nämlich auch üben, denn manche Hexenkinder bekommen Schmerzen in den Händen, wenn sie den Besen zu lange festhalten. Stell dir vor, was passieren würde, wenn sie dann einfach während ihres Fluges durch die Luft den Besen loslassen! Sie rutschen vom Besen, sausen durch die Luft und . . . fallen! Genau das Gleiche passiert, wenn du dich beim Schaukeln nicht festhältst. Mit ein paar blauen Flecken kommt ein Hexenkind dann aber bestimmt nicht davon.“
Helen nickt – als sie schaukeln lernte, hatte sie sich auch einmal losgelassen und war von der Schaukel geplumpst. Ja, das hatte ganz schön weh getan. Wie viel mehr musste es da den Hexenkindern weh tun, denn die sausten ja viel höher durch die Luft und fielen darum auch viel tiefer.
„Opa, muss ich so etwas auch noch üben?“
„Wir können ja mal testen, wie lange du so einen Hexentanzstock festhalten kannst, und ich teste mich gleich mit dir.“
Nun suchen die beiden sich für ihre Größe je einen Stock aus, nehmen ihn zwischen die Beine und stellen fest: Er passt!
Als sie mit ihren Stöcken am Waldrand ankommen, legen sie einen dicken Stein so hin, dass man darum tanzen kann. Der Stein ist das Hexenfeuer – der Tanz kann beginnen! Sie hopsen und springen und drehen sich im Kreise. Helen ist so gut gelaunt, dass sie zu singen anfängt.
Nach einer Weile staunt Opa Peter: „Wie toll du das machst, und müde wirst du dabei auch nicht – ich kann aber nicht mehr! Ich muss Pause machen!“
Doch Helen tanzt immer weiter.
„Hey, meine Kleine, ich bin so kaputt. Am besten tanzt du jetzt nach Hause, denn ich muss mich mal hinsetzen, und zwar auf einen richtigen Stuhl, bei dem ich mich anlehnen kann. Das ist besser als auf einem umgestürzten Baumstamm.“
Also macht Helen sich auf den Weg zu Oma Lisa. Wie eine richtige Hexe hält sie ihren Hexentanzstock zwischen den Beinen und tanzt singend nach Hause.
„Sag mal, Opa, hab ich die Hexenprüfung nun bestanden?“
„Ich denke schon.“
Zu Hause angekommen zeigen sie Oma Lisa voller Stolz ihre Mitbringsel aus dem Wald.
Oma Lisa schmunzelt nur: „Das sollen Hexentanzstöcke sein, das glaubt euch doch keiner! Echte Hexentanzstöcke sind verziert und tragen ein Namenszeichen. Was meint ihr denn, wie oft sich die Hexenkinder um die Stöcke streiten würden? Keines würde den eigenen Stock wiederfinden!“
Helen schaut ihren Opa an: „Wo die Oma Recht hat, hat sie Recht. Opa, ich glaube, mit deiner Mittagspause wird es heute nichts!“

Baum
Baum

Opa Peter stöhnt: „Was bin ich doch für ein armer Mann! Morgens kann ich nicht ausschlafen, weil mich Sturmgeräusche in der eigenen Wohnung wecken. Dann muss ich den ganzen Vormittag durch den Wald marschieren, muss mit Hexentanzstöcken üben und jetzt auch noch in meiner Werkstatt Stöcke verzieren, dabei bin ich doch so hungrig und müde!“
Helen und Oma Lisa schauen sich schmunzelnd an und drücken dann gemeinsam den „armen Opa Peter“ ganz fest, wobei er von Oma Lisa ein Küsschen bekommt.
Doch Helen weiß, sie kann sich auf ihren Opa verlassen!
Den ganzen Nachmittag lang haben die beiden an den Stöcken geschnitzt. Zwischendurch hat Helen schon einmal ihren Stock ausprobiert. Die Oma hatte Recht, mit einem verzierten Stock kann man viel besser tanzen!
„Opa, wenn wir morgen wieder in den Wald gehen, nehmen wir dann unsere Tanzstöcke mit? Vielleicht sind die Hexenkinder neugierig und wollen mal unsere Tanzstöcke sehen, unsere Menschen-Hexentanzstöcke. Ich werde mir dann alle auf den Waldboden herunter gefallenen Stöcke ganz genau ansehen. Vielleicht finde ich dann einen echten, verzierten Hexentanzstock. Ach, Opa, man weiß vorher nie, was man alles erlebt!“
Dabei strahlt Helen ihren Opa an. Opa Peter nickt: „Ja, schau’n wir mal, was uns der neue Tag bringt.“ Dann sagt er: „Ich bin der Meinung, wir machen jetzt hier Schluss und gehen zu Oma Lisa. Die Ärmste war ja fast den ganzen Tag alleine und sie freut sich bestimmt, wenn wir ihr jetzt Gesellschaft leisten und mit ihr etwas spielen.“
„Okay, Opa, ich bin ganz deiner Meinung. Gehen wir zu Oma Lisa.“

Liesel Krüger: Und was machen wir jetzt?

1. Auflage, Februar 2016

Softcover, A5

100 Seiten

ISBN 978-3-943313-70-3

Liesel Krüger: Und was machen wir jetzt, Buch, 100 Seiten

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