Zauberhafte Handgeschichten


Leseprobe 01

Die Wohlfühlzauberbank 02

„Hi-Hui, warte mal! Wie ist das, kann ich später, wenn es mir nicht mehr gefallen sollte, unsichtbar zu sein, zurück in meine ganz normale Welt?“ „Ja, das ist zu jeder Zeit möglich, wenn du das, was du dir gewünscht hast, auch zu Ende gebracht hast“, erklärt sie mir und fragt: „Ist alles klar? Hast du alles verstanden?“ „Ja, eigentlich schon“, sage ich und frage mich gleichzeitig, auf was ich mich da einlasse. Einerseits will ich, andererseits – ich weiß nicht recht, es wäre bestimmt spannend. Oh, haue-haue-haue-ha, eine schwere Entscheidung! Ich überlege: Was könnte denn schon passieren? Ich kann ja wieder zurück! Hi-Hui hatte ja versprochen, sie wäre da, wenn ich sie bräuchte. „Na gut, Hi-Hui, ich sage ‚Ja‘ dazu.“ Oh je, jetzt geht‘s los, ich habe „Ja“ gesagt! Gespannt sehe ich zur Pinsel-Dame, aber die rührt sich gar nicht. Merkwürdig! Nachdem ich eine Zeit lang auf eine Reaktion von ihr gewartet habe, nehme ich den Pinsel in die Hand und tauche ihn in die rote Farbe, um

Annelie Staudt: Zauberhafte Handgeschichten

1. Auflage, Dezember 2019

Softcover, A5

104 Seiten

ISBN 978-3-943313-15-4

Annelie Hansen: Zauberhafte Handgeschichten

14,95 €

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die Bank anzustreichen. Die rote Farbe leuchtet wirklich schön. Die Menschen werden diesen Anstrich wohl gar nicht sehen können, überlege ich, ich bin ja unsichtbar für sie. Schade, denn der Anstrich würde sicher auch ihnen gefallen. Egal, ich werde die Bank wenigstens für mich schön anstreichen, denke ich, und dass es schon etwas merkwürdig ist, eine Bank mit einem Pinsel anzustreichen, der sprechen kann! Ganz in meine Arbeit versunken, die Bank zu streichen, höre ich unerwartet eine Kinderstimme. Ein Junge setzt sich mit seiner Mutter auf die Bank. Ich freue mich, dass ich nun etwas Gesellschaft habe. Und wenn sie mich auch nicht sehen können, so kann doch wenigstens ich sie ungesehen beobachten. Der Junge setzt sich gerade mit seinem Popo an die Kante der Parkbank, als er mit einem Mal eine schier unglaubliche Entdeckung macht. „Mami! Mami! Die Bank ist von alleine rot geworden, hast du das gesehen?“, ruft er aufgeregt und zeigt mit dem Finger in die Richtung, wo ich die Bank in diesem Moment anmale. „Nein Kimjackin, das kann nicht sein. Die Farbe muss vorher schon da gewesen sein“, sagt seine Mutter. „Aber ich habe das wirklich gesehen, Mami.“ „Das gibt es nicht, dass eine Bank von alleine rot wird, mein Kind.“ „Mami, glaub mir, ich habe es aber doch selbst mit meinen eigenen Augen gesehen!“ Doch seine Mutter glaubt ihm nicht. Das macht Kimjackin traurig, weil er es ja doch ganz bestimmt und wirklich gesehen hatte. Ein schon eigenartiges Gefühl, so etwas zu erleben, wenn man selbst unsichtbar ist. Gespannt darauf, wie es weitergehen würde, tauche ich den Pinsel noch einmal in die Farbe und streiche die Bank weiter an. „Da! Guck, Mami! Guck doch mal hin, Mami!“ Er zeigt nun energisch in die Richtung, wo ich gerade die Bank bemale. „Siehst du es jetzt selbst? Die Farbe kommt einfach so von ganz allein auf die Bank! Siehst du, es passiert doch von alleine!“ Kimjackin ist sehr aufgeregt, denn es geschieht ja jetzt wirklich vor den Augen seiner Mutter. „Ich habe es dir doch gesagt, dass ich es wirklich richtig gesehen habe! Hast du es jetzt auch gesehen, Mami?“ Seiner Mutter fehlen die Worte. Nun sieht sie selbst mit großen, ungläubigen Augen, was dort vor sich geht. „Guck, du kannst es jetzt doch selbst genau sehen, die Farbe kommt von alleine auf die Bank!“ „Ja wirklich, ich habe es jetzt ja auch gesehen, aber ich kann es nicht glauben.“ Kimjackin klatscht in die Hände, weil er sich freut, dass seine Mutter ihm jetzt glaubt. „Ist das nicht toll, eine Bank, die sich ganz von alleine rot anmalt? Das ist eine Sensation, Mami, und ich habe sie entdeckt! Hurra!“ Seiner Mutter jedoch steht ihr Zweifel ins Gesicht geschrieben. „Das kann doch eigentlich nicht sein“, sagt sie und schüttelt den Kopf. „Mammiiiii“, klingt es jetzt vorwurfsvoll, „ich weiß ja auch nicht, wie das geschieht, aber es ist wunderschön, oder? Wie in einem Märchen! Vielleicht machen das ja die Zwerge, die vor langer Zeit aus der Welt verschwunden sind“, sagt er mit leuchtenden Augen. „Ach, wäre das nicht noch schöner, wenn auch noch weiße Punkte auf der roten Bank wären? Dann wäre es bestimmt die aller, allerschönste und witzigste Bank auf der ganzen Welt, oder Mami?“ Kimjackin wartet die Antwort seiner Mutter gar nicht erst ab. Noch immer ganz begeistert, phantasiert er weiter. „Ich würde jeden Tag herkommen, um zu sehen, wie sich die Leute über eine so schöne Parkbank freuen. Und wir, Mami, wir haben sie zu allererst entdeckt!“ Mir wird in meinem „Versteck“ so ganz anders ums Herz. Der Junge steckt mich richtig an mit seiner Freude. Es wäre ja wirklich schön, wenn die Bank noch bunter wäre… Ich rufe nach Hi-Hui. „Hi-Hui, könnte ich auch noch weiße Farbe bekommen, um noch weiße Punkte für Kimjackin zu malen?“ „Ja, dein Wunsch soll erfüllt werden, zur Freude und zur Überraschung für den Jungen“, ist ihre Antwort. „Huuuiii, huuuiii“, macht es und schon steht weiße Farbe bereit! Tatsächlich scheint alles möglich zu sein, wenn ich bloß immer daran denke, Hi-Hui um Hilfe zu bitten. [...] (mehr)