Zauberhafte Handgeschichten

Leseprobe 01

Die Wohlfühlzauberbank 03

Hier und da tippt Kimjackin nun mit seinen Fingern an die Bank, um zu testen, ob die Farbe klebt oder trocken ist, und er schaut auch unter und hinter die Bank, um vielleicht doch ein paar Zwerge zu entdecken.

„Mami, Mami! Guck mal! Gerade ist ein weißer Punkt vom Himmel gefallen. Oh, noch einer! Und noch einer, es schneit weiße Tupfen auf die Bank! Mami, sie kommen unsichtbar durch die Luft auf die Bank! Ist das nicht toll?“

„Ja“, sagt sie, „ich staune! Es gibt doch noch Wunder.“

„Mami, vielleicht sind es ja unsichtbare Zwerge oder Feen, die Wünsche erfüllen. Wenn die Zwerge und Feen nämlich unsichtbar sind, kann sie keiner vertreiben, nicht wahr, Mami?“

„Weißt du was“, sagt seine Mutter und steht von der Bank auf, „ich habe ein komisches Gefühl im Bauch, mir ist das alles ein kleines bisschen zu unheimlich, verstehst du?“

Annelie Staudt: Zauberhafte Handgeschichten

1. Auflage, Dezember 2019

Softcover, A5

104 Seiten

ISBN 978-3-943313-15-4

Annelie Hansen: Zauberhafte Handgeschichten

14,95 €

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„Das braucht es nicht, Mami, das ist doch alles so schön, es passiert eben einfach so, ich finde alles toll! Komm, setz dich wieder zu mir auf die Bank, wir haben uns doch die weißen Punkte gewünscht und sie sind kommen. Es ist wirklich die allerschönste Parkbank auf der ganzen Welt, oder? Es passiert doch nur etwas Schönes!“

Seine Mutter ist über seine Unbekümmertheit erstaunt und darüber, dass er es alles so einfach nimmt. Ohne den geringsten Zweifel kann er alles so annehmen, wie es ist. „Man müsste noch einmal Kind sein“, denkt sie, „dann wäre alles einfacher.“

„Ich will dir glauben, dass alles so einfach ist“, sagt sie. „Du hast es mir wirklich gut erklärt. Ich danke dir dafür, denn jetzt habe ich auch fast keine Bedenken mehr. Es ist wirklich spannend, was hier geschieht.“

Seine Mutter lächelt jetzt sogar. „Du Kimjackin, dein Wunsch mit den weißen Punkten ging schnell in Erfüllung, nicht wahr?“

„Ja, ganz schnell.“

„Wollen wir uns jetzt einmal zusammen etwas ganz Besonderes wünschen und beobachten, ob es in Erfüllung geht?“

„Ja, Mami, ja!“ Seine Augen strahlen, weil seine Mutter nun auch mitmachen will. „Mami, das ist eine super Idee.“ Er fällt ihr vor Freude um den Hals.

Ich rufe Hi-Hui und frage sie, ob es möglich sei, auf alle Ideen von Mutter und Sohn einzugehen. Hi-Hui antwortet mir: „Es ist alles möglich, unter einer Bedingung: Dass alles, was gewünscht wird, keinem Menschen, keinem Tier und keiner Pflanze einen Schaden zufügen darf.“

„Ja, das ist gut. Dann wünsche ich mir, dass alles zu diesen Bedingungen geschehen kann, und zwar so, wie die beiden es sich wünschen.“

Kimjackin sitzt auf der Bank und überlegt, was sie sich wünschen und herzaubern könnten, dann sagt er: „Du, Mami, wenn ich Zauberer wäre, würde ich mir jetzt eine gruselige Maske zaubern und die Leute ein bisschen erschrecken. Ist das nicht eine gute Idee?“

„Ich finde nicht, dass das eine so gute Idee ist“, sagt seine Mutter. „Stell dir das mal vor: Ich komme durch den Park gegangen und wüsste gar nicht, dass du dich hinter der gruseligen Maske verbirgst – ich würde doch einen großen Schreck bekommen, vor Angst weglaufen und bestimmt nie wieder in diesen schönen Park gehen. Wäre es dann immer noch lustig?“

„Nein, Mami, das wäre traurig, wenn du Angst bekämest und nicht wieder in den Park gehen würdest. Dann will ich mir lieber etwas Besseres wünschen, etwas, an dem wir uns freuen können. Guck mal, siehst du da die zwei Omas, die schon ganz alt und krumm sind? Sie gehen am Stock und können nicht mehr so gut laufen. Wie wäre es denn, wenn wir uns wünschen, dass die Omas und alle anderen Menschen, die sich hier zu uns auf die schöne Parkbank setzen, glücklich und gesund werden sollen?“

„Das wäre ein wirklich außergewöhnlich guter Wunsch“, stimmt sie ihm lachend zu, „wirklich ein prima Wunsch, Kimjackin!“

„Weißt du, Mami, dann nennen wir die Bank Wohlfühlzauberbank. Das wäre doch ganz, ganz wundervoll für die Omas und andere Menschen, oder? Wie in einem richtigen Märchen!“

„Ja, das ist wirklich eine super Idee! Dann käme ich wahrscheinlich auch immer wieder hierher, um mich auf die Bank zu setzen. Ja, das wollen wir uns wünschen!“

Die beiden alten Damen sind inzwischen an der roten Bank mit den weißen Punkten angekommen und bewundern sie – haben sie diese Bank doch zuvor noch nie gesehen,

obwohl sie oft gemeinsam durch den Park spazieren. Dass ihnen diese zauberhaft bunte Bank noch nie aufgefallen ist, können sie sich nicht erklären.

„Guten Tag, dürfen wir uns zu euch setzen?“, fragt die eine Dame.

„Na klar“, antwortet Kimjackin und rückt schnell zur Seite, denn er ist schon gespannt, was die beiden auf der Bank erleben werden. „Ja“, sagt er wieder, „setzt euch ruhig zu uns, es ist noch genügend Platz. Wir können uns dann gemeinsam über die allerschönste Bank im Stadtpark freuen.“

Die alten Damen sind dankbar, dass sie sich zu den beiden setzen dürfen, weil sie schon ein ganzes Stück durch den Park spaziert sind und sich sowieso ausruhen wollten.

„Darf ich auch noch bei euch sitzen“, fragt mit einem Mal ein kleines, etwas traurig wirkendes Mädchen, das ebenfalls gerade die schöne Bank entdeckt hat.

„Ja, komm, setz dich zu uns“, sagt Kimjackin.

„Aber wo kann ich mich denn hinsetzen, es ist kein Platz mehr frei?“, fragt das Mädchen.

„Komm hier her, ich setze mich auf Mamis Schoß, dann geht das schon“, antwortet er und krabbelt auf den Schoß seiner Mutter. Beide beobachten nun „ihre Gäste“ auf der Bank und sind gespannt darauf, ob etwas geschehen wird. [...] (mehr)